Wir waren eine Woche als Fluthelfer im Ahrtal bei den Dachzeltnomaden. Nach der katastrophalen Flut im Juli 2021 wird dort nach wie vor Hilfe benötigt, um den Menschen vor Ort wieder ein sicheres Zuhause zu gewähren.
Es war eine super intensive und schöne Erfahrung und wir können es nur jedem ans Herz legen, selbst dort hinzufahren und Teil des Helferteams zu werden ☺️ Wir selbst schmieden schon Pläne, wann wir da nächste Mal hinfahren, weil es wirklich so eine berührende Erfahrung war. In diesem Beitrag erzählen wir von unserer Erfahrung vor Ort, was genau die Dachzeltnomaden Hilfsorganisation überhaupt ist und wie du selbst helfen kannst – vor Ort oder auch anderweitig.
Bist du bereit? Dann nichts wie los!
Warnhinweis: In diesem Beitrag geht es um Katastrophen und Schicksalsschläge. Solltest du dich unwohl mit solchen Themen fühlen, dann lies hier bitte nicht weiter.
Was ist da nochmal passiert?
Im Juli 2021 fegten zahlreiche Unwetter über Deutschland und brachten zwischen dem 14. und 19. Juli Niederschläge von bis zu 150 Liter pro Quadratmeter. Die Wassermassen lösten in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli eine verehrende Flutkatastrophe aus und die Ahr und ihre Nebenarme traten mit Pegelständen von 7 bis 8 Metern über die Ufer. Ganze Dörfer und Landschaften wurde verschlungen und tausende Menschen verloren ihr Hab und Gut sowie geliebte Menschen in den Fluten.
Wie und warum wurden wir Helfer im Ahrtal?
Von Anfang an war klar, dass wir auch helfen wollen, doch irgendwie waren wir ein bisschen überfordert, wie genau das für uns aussehen könnte. Über Instagram sahen wir immer wieder, wie andere als Helfer ins Ahrtal fuhren und wurden durch @Vanilla.Icedream dann auch auf die Hilfsaktion der Dachzeltnomaden aufmerksam. Über die nächsten Wochen haben wir immer wieder verfolgt, wie sich die Lage entwickelt und da wir sowieso überlegten, den Dezember in Deutschland zu verbringen, dachten wir uns “das wäre doch die perfekte Gelegenheit!”.
Als wir unser Vorhaben ins Ahrtal zu fahren, mit unserer Community teilten, erreichten uns auch total viele Nachrichten von Leuten, die bereits dort waren und was für eine tolle Erfahrung das war. Damit waren wir nur noch mehr bestätigt, dass es die richtige Entscheidung ist 😀. Warum genau wir nicht schon früher ins Ahrtal gefahren sind, ist uns mittlerweile unklar, aber besser spät als nie! Denn auch, wenn man in den Medien lange nichts mehr gehört hat, ist die Lage vor Ort nach wie vor noch weit vom Normalzustand entfernt… deshalb sind wir umso dankbarer, dass es Organisationen wie die Dachzeltnomaden gibt, für die die Menschen im Ahrtal noch nicht in Vergessenheit geraten sind!
Wer sind jetzt diese Dachzeltnomaden?
Die Dachzeltnomaden sind eine Gruppe von Campingenthusiasten, die sich 2017 auf Facebook zusammenfanden. Seit dem veranstalten sie regelmäßig kleine oder auch größere Treffen und Festivals, bei denen jeder eingeladen ist, der Freude an der Natur und am Campen hat. Sie selbst schreiben auf ihrer Webseite: „Dachzeltnomade ist jeder, der sich so fühlt“ und „Wir glauben daran, dass man gemeinsam mehr erreichen kann“. Ins Leben gerufen wurde das ganze von Thilo Vogel, doch mittlerweile besteht das Team aus knapp 30 Menschen.
Auf ihrer Webseite teilen die Dachzeltnomaden zum einen Informationen zum Leben im Dachzelt, sind aber auch als gemeinnützige Organisation tätig, die mit ihren Spenden schon viele tolle Projekte unterstützen konnte. Unter anderem auch die Menschen im Ahrtal. Nur wenige Tage nach der Flut hatten sie schon 7000 € gesammelt, doch Geld alleine war ihnen nicht genug! Sie wollten unbedingt mehr tun und vor allem auch wissen, dass die Spenden an der richtigen Stellen ankommen. So kamen sie Ende Juli selbst ins Ahrtal, bauten ein kleines provisorisches Camp auf und sind bis zum heutigen Tag dort geblieben! Mittlerweile ist die „Dachzeltnomaden Hilfsorganisation” eine eigene gemeinnützige GmbH und kann das Camp im Ahrtal am Laufen halten, sowie die Spendengelder sinnvoll für das einsetzen, was wirklich benötigt wird.
Unsere Erfahrung als Helfer im Ahrtal
Knapp eine Woche waren wir bei den Dachzeltnomaden vor Ort. Sonntagabend kamen wir an und Samstagmittag sind wir wieder abgereist. Auf dem Weg zum Camp waren wir beide etwas nervös und unsicher, was uns wohl erwartet. Zwar hatten wir schon zahlreiche Storys verfolgt, doch irgendwie ist es ja nochmal was anderes dann live vor Ort zu sein.
Diese Nervosität hat sicher aber schnell gelegt! Nach einem Coronatest durften wir direkt alle bei der Abendbesprechung kennenlernen und wurden sofort herzlich mit ins Team aufgenommen. Wir kamen an, haben einen Coronatest gemacht und konnten dann direkt alle bei der Abendbesprechung kennenlernen. Da es Sonntag war, wurden dann zunächst die Spendenpakete, die im Laufe der Woche, ausgepackt. Schnell merkten wir, was für eine Positivität und Hilfsbereitschaft herrscht. Leute hatten Stollen und Plätzchen gebacken, andere eine Kiste gestrickter Mützen für alle Helfer gesendet – es war der Wahnsinn! Am nächsten Tag ging es dann “offiziell” für uns los. Dabei ist der Tagesablauf an sich immer gleich.
Wie sieht so ein “typischer” Tag bei den Dachzeltnomaden eigentlich aus?
Zwischen 7 und 8Uhr wird getestet, dann gibt es Frühstück im Gemeinschaftssal und um 7:45Uhr eine Besprechung des Tages. Dort wird geklärt, wer in welchem Team mithilft (Camp, Küche oder Baustelle), wer die Fahrer und Sanitäter für den Tag sind und eine Sicherheitseinweisung für die Baustellen gibt es natürlich auch! Um 8:00Uhr schnappt sich jeder, der zur Baustelle fährt seine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) wie Handschuhe, Sicherheitsbrille, Gehörschutz, Helm, Kleidung und Schuhe mit Stahlkappen. All diese Sache und übrigens in jeglichen Größen im Camp vorhanden und man muss wirklich NICHTS selbst besorgen, wenn man es nicht eh schon hat 😉 Wir haben z.B. auch alles vor Ort ausgeliehen.
Um 8:15Uhr versammeln sich alle bei den Fahrzeugen und um 8:30Uhr ist dann Abfahrt zur Baustelle. Diese sehen meist komplett unterschiedlich aus. In den 5 Tagen Baustelle, die wir erlebt haben, haben wir z.B. eine Fassade “gestemmt” (das bedeutet, mit großen Bohrhammern den Putz abgemacht), einen alte Bauernhofscheune leergeräumt und abgerissen, den Estrich von 125qm Keller und Putz von 6 Wänden entfernt und eine Garage entrümpelt. Es ist also von Sachen tragen bis Wände einreißen irgendwie alles dabei! In Instagramstories von anderen Tagen haben wir auch gesehen, wie Dächer abgedeckt, Dreck geschaufelt, Möbel ausgeräumt und sogar Blumensträuße verteilt werden. Es ist also wirklich für jeden etwas dabei und auch gesundheitliche Beeinträchtigungen können gut berücksichtigt werden. Allgemein man muss natürlich auch nie etwas tun, womit man sich nicht wohl fühlt 😉
Wer generell nicht so gerne mit zur Baustelle möchte oder auch einfach etwas Abwechslung möchte, der kann täglich auch im Camp und/oder der Küche helfen. Das Küchenteam sorgt nämlich dafür, dass alle täglich 2-3 warme Mahlzeiten erhalten und kocht zusätzlich oft noch Mittagessen für andere Helfer und Bewohner des Ahrtals. Und im Camp fallen auch immer wieder Aufgaben an wie sauber machen, Sachen sortieren, vorbereiten und generell Aufräumen. Mittlerweile ist der Dienstag für alle ein kompletter “Camp Tag” dh. es wird nicht auf Baustelle gefahren und alle können helfen, das Camp aufzuräumen und Dinge zu erledigen, die sonst liegen bleiben (Leihwagen zurückbringen, PSA aufräumen etc.)
Zurück zum Tagesablauf: Baustellenende ist täglich um 16:30Uhr, dann wird zusammengepackt und bis 18Uhr ist man wieder zurück im Camp. Dort gibt es ab 18Uhr dann für alle gemeinsam Abendessen mit einer anschließenden Nachbesprechung des Tages. Dort erzählt jedes Team einmal kurz von seinem Tag und man feiert die Erfolge des Tages. Das ist übrigens auch etwas, was wir total schön fanden: es wird SO VIEL GEKLATSCHT und wirklich jeder Step wird gemeinsam gefeiert! Dadurch entsteht eine tolle Atmosphäre, man bleibt total motiviert und merkt auch einfach, wie jedes bisschen Hilfe einen Teil zu etwas Großem beiträgt 🙂
Nach dem Abendessen kann man (falls man es vorher nicht schon getan hat) warm Duschen und dann den Abend gemütlich ausklingen lassen. Dazu versammeln sich viele gerne am Feuer oder am Heizpilz, manchmal gibt es auch Filmabende oder Karaokesessions. Ab 22Uhr ist allgemeine Bettruhe – sowohl im Camp als auch auf der Campwiese. Wir waren meist eh gegen 22:30Uhr eh kaputt, dass wir nur noch müde und glücklich ins Bett geplumpst sind 😀
Wie kannst du mithelfen?
Mithelfen kann wirklich jeder – egal ob durch Spenden verschiedener Art oder Hilfe vor Ort!
Spenden
Die Hilfsorganisationen freuen sich immer über finanzielle Spenden, um weiterhin vor Ort helfen zu können. Zwar wird aktuell auch einiges vom Land übernommen, wie zum Beispiel die Sprittkosten für die Fahrzeuge und Generatoren, es benötigt aber weitaus mehr so ein Camp am Laufen zu halten und alle Materialkosten zu decken. Wer also Geld spenden will, ist Herzlich willkommen. Und auch wenn es nur ein paar Euro sind – Kleinvieh macht auch Mist 😛
Weiterhin werden immer wieder Material- und Sachspenden benötigt. Die DZN haben dazu eine Amazonliste erstellt, von der man Dinge kaufen kann. Bitte klärt alles weiter jeweils mit den Organisationen vor Ort ab, denn sie wissen am besten, was WIRKLICH benötigt wird und was nicht! Gut gemeint ist nämlich nicht immer gut gemacht.
Werde Helfer vor Ort!
Man kann auch einfach vorbeikommen und vor Ort mit anpacken! Im Camp werden immer tatkräftige Helfer:innen gesucht, die sowohl auf den Baustellen, als auch im Camp oder in der Küche mithelfen.
Auf den Baustellen gibt es Aufgaben wie: Putz und Estrich mit Maschinen abtragen, Keller und Räume ausräumen, Bauschutt wegbringen, Garagen, Wände oder Scheunen abreißen oder Dächer abdecken.
Im Camp kann man sauber machen, Sachen sortieren, vorbereiten und generell Aufräumen. In der Küche wird es dann wieder spannend, denn hier wird geschnippelt, gebrutzelt und gekocht. Neben Frühstück und Abendessen für die tapferen Helfer auf der Baustelle, kochen die fleißigen Bienen auch Mittagessen für Betroffene in der Umgebung.
Ganz wichtig! Wenn du vor Ort helfen möchtest, melde dich bitte vorher an, damit alle Bescheid wissen und das Camp koordinieren können 😉
Teile Beiträge und verbreitete die Message
Du hast gar keine Zeit zu entbehren? Dafür musst du dich überhaupt nicht schämen. Nicht jeder kann und möchte selbst helfen. Vielleicht widmest du deine Energie gerade einem anderen Zweck. Nichtsdestotrotz hast du die Möglichkeit von der Hilfsorganisation zu erzählen und Andere dazu animieren, sich dazu anzumelden. Denn jede Hilfe zählt.
Résumé
Wir könnten hier jetzt sicher fünf Seiten darüber schreiben, was wir im Detail alles erlebt haben und dabei waren wir gerade mal eine Woche vor Ort! Von den wundervollen Menschen, die man im Camp trifft über abwechslungsreiche Baustellen bis zu berührenden Momenten mit Betroffenen, denen man durch seine Arbeit hilft! Es ist wirklich alles dabei – Aufregung, Vorfreude, Lachen, Weinen, Mitfiebern, Freuen, berührt sein und sich auch einfach irgendwie Zuhause fühlen. Was die Dachzeltnomaden dort aufgebaut haben, ist wie eine kleine Familie – eine Oase des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft. Obwohl man ja in allererster Linie dort ist, um Menschen nach so einem heftigen Schicksalsschlag zu helfen, fühlte es sich oft unbeschwert und unglaublich positiv an.
Wir können es wirklich jedem ans Herz legen, sich ein paar Tage frei zu schaffen und die Erfahrung zu machen. Es kann wirklich jeder mitmachen und wenn man einmal die Überwindung geschafft hat hinzufahren, kommt man (so haben wir gehört) auch oft ein zweites oder drittes Mal wieder. Die Leute vor Ort und die vielen lieben Helfer sind alle so unfassbar freundlich, freuen sich über jede weitere helfende Hand und man wird schnell in die familiäre, liebevolle DZN Familie aufgenommen.
Wir waren auf jeden Fall auch nicht zum letzten Mal im Ahrtal und überlegen geraden, wann wir dort wieder hinfahren. Vielleicht sehen wir ja auch mal Dich dort! 🙂
Liebe Grüße,
Hanna & Dorian